So war der Kick-Off

Viele waren der Einladung zum Kick-Off des Bürgergutachtens 2020 gefolgt und der Plenarsaal des Düsseldorfer Rathauses war voll besetzt. Dort feierte der Kirchenkreis Düsseldorf – passend zur Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Thomas Geisel – den Auftakt.

„Dieses Thema geht die ganze Stadt etwas an. Kirchen haben ein Relevanzproblem. Die beiden großen Volksparteien auch. Für das Miteinander einer Stadtgesellschaft mit ihrer Vielfalt braucht es Werte. Die Fähigkeit zu Solidarität und Empathie sind gefragt“, sagte Geisel während seiner Begrüßungsrede. Er wünscht den Kirchen mehr Mut zur Verkündigung und ein unverzagtes, selbstbewusstes Eintreten für die christlichen Werte.

Was ist dran in der Stadt?

Superintendent Heinrich Fucks berichtete von „kleinen Formen der Bürgerbeteiligung“: Im Alltag erlebt er diese zum Beispiel auf dem Wochenmarkt in seinem Stadtviertel. Da teilen ihm  Menschen bei zufälligen Begegnungen ihre Meinung mit. Beim Bürgergutachten gehe es darum, dass sich Menschen gezielt über Kirchen-und Stadtentwicklung austauschen und dabei ihre Kompetenz und Erfahrung einbringen. Da schon Jesus mit der Frage ‚Was willst du, dass ich dir tue?' unter die Menschen gegangen sei, ist nun die Zeit, sich nach diesem Vorbild an die Stadtgesellschaft zu wenden.

Der große Vorteil des Bürgergutachtens liegt nach Meinung von Professor Hans J. Lietzmann vom IDPF der Wuppertaler Universität darin, dass zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger miteinander ins Gespräch kommen: „Was denkt der Andere? Ein Diskurs kann viele Anregungen hervorbringen.“

Begegnungsorte schaffen

Erste Antworten auf die Frage „Wieviel Kirche braucht die Stadt?“ fanden unsere Gäste der Podiumsdiskussion: Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR), Dirk Sauerborn, Polizeihauptkommissar und Mit-Initiator von Lobby für Demokratie in Düsseldorf, Maria Fischer, Vorsitzende des Düsseldorfer Bundes Katholischer Unternehmer, Jonas Einck, Vorsitzender der Evangelischen Jugend Düsseldorf und Samuel Coppes, Gemeindegründer im Düsseldorfer Süden, der für Hanna Jakobs einsprang.

Die Themen der Diskussion gaben einen Vorgeschmack auf die Gruppenarbeiten, an denen 200 Bürger*innen im April und im August teilnehmen werden: Interreligiöser Dialog, Sichtbarkeit von kirchlichen Angeboten, Fridays for Future, die Sonntagsruhe, Digitale Kirche und Teilhabe an kirchlicher (ehrenamtlicher) Arbeit. „Das Verfahren der Bürgerbeteiligung ist gut, weil es unabhängig vom Bildungsstand, Nationalität, Alter Menschen zusammen bringt“, sagte Maria Fischer. Es sei wichtig, Begegnungsorte zu schaffen. Diese könnten in der Entbindungsklinik ebenso sein wie in der Kindertagesstätte, bei einem freiwilligen sozialen Jahr oder in Einrichtungen für Senioren, wo viele verschiedene Menschen aufeinandertreffen.

Offline-Kontakt und Social Media

Richtig begeistert darüber, dass ein Bürgergutachten in Düsseldorf startet, zeigte sich Dirk Sauerborn: "So ein Dialog ist auch ein Beitrag zum Frieden in der Stadt“, sagt er, der guten Kontakte zur muslimischen Community in Düsseldorf hat und den interreligiösen Austausch pflegt. „Das ist eine Einladung und die ist einmalig für Düsseldorf. Ich bin durch und durch Demokrat und das ist eine Beteiligungsform, die wirklich ur-demokratisch ist!“

Während für ihn das persönliche Gespräch und der Offline-Kontakt an erster Stelle steht, wenn es um die Teilhabe von Menschen geht, hält Jonas Einck Social Media in einer Welt, die immer digitaler wird, für unverzichtbar. „Die Kirche muss online gut aufgestellt sein“, sagte Einck, der soziale Arbeit studiert und sich ehrenamtlich in einer Notschlafstelle für Obdachlose engagiert. Nach seiner Erfahrung ließen sich Jüngere eher durch Aktionen der Kirche wie der „Seenotrettung“ und der Beteiligung an „Friedays für Future“ gewinnen.

„Seelsorge findet unsichtbar statt“

Kirche und Diakonie bringen sich zwar in den Quartieren der Stadt ein, aber so manches sehe man nicht auf den ersten Blick: „Seelsorge findet unsichtbar statt“, sagte Präses Manfred Rekowski. „Kirche bietet Asyl für Sinnsuchende. In der Kirche kann man Herberge finden, sich willkommen fühlen. Die Zugangswege zur Kirche sollten niedrig sein“. Samuel Coppes macht die Erfahrung, dass viele Menschen ein Interesse an Kirche haben, aber nur wenige sich tatsächlich beteiligen. Im Stadtteil Benrath wirkt er mit Mitstreitern an der Umsetzung eines Gemeinschaftsgarten im Quartier – als Begegnungsort, an dem Kontakt zu ganz unterschiedlichen Millieus entstehen kann.

Als es um die „Sonntagsfrage“ ging, pflichteten die Diskussionsteilnehmer Unternehmerin Fischer bei. „Der Sonntag ist ein unverzichtbares Strukturelement für unsere Gesellschaft. Der Tag dient vor allem der Familie und der Selbtreflektion. Man kann es auch Beten nennen“, vertrat sie ihren Standpunkt. Auch Rekowski sieht im Sonntag einen „Tag der Unterbrechung, der Unverfügbarkeit, der einer Gesellschaft gut tut“.

Wie ein roter Faden durchzog die Diskussion, die von Daniel Schneider moderiert wurde: Für das Zusammenleben in einer modernen Stadtgesellschaft mit all ihrer Vielfalt, Armen und Reichen, Menschen verschiedener Religionen und Lebensentwürfen ist es unverzichtbar, miteinander im Gespräch zu sein. Die Diskussion bei der Auftaktveranstaltung im Rathaus gab den Gästen schon mal einen kleinen Einblick in die Praxis.

 

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